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Kultur.Diplomatie




14.09.2007  Wien: Interview mit Renate Brauner, Vizebürgermeisterin und Landeshauptmannstellvertreterin



CCA: Auf Ihre Einladung besuchte eine hochrangige 19-köpfigen jüdische Delegation aus New York Wien. Ist für Sie persönlich, in diesem speziellen Fall, Kulturaustausch ein Mittel zur Vergangenheitsbewältigung, zur Aufarbeitung von nicht nur historisch belastenden Ereignissen in der österreichischen Geschichte?

 

 Vizebürgermeisterin Brauner: Die Erinnerung an das schrecklichste Kapitel der österreichischen Geschichte – die Verfolgung, Vertreibung und Ermordung der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger während des Nationalsozialistischen Regimes ist Teil der österreichischen Geschichte, die wir nie vergessen dürfen. Die damit verbundene geschichtliche Aufarbeitung ist eine moralische und politische Verpflichtung. Auch in der Gegenwart sind wir gefordert gegen jegliche Form des Antisemitismus, der Intoleranz und der Ausländerfeindlichkeit zu kämpfen und wir tragen ganz besondere Verantwortung gegenüber der Jüdischen Community in unserer Stadt. Die von Ihnen angesprochene Einladung erfolgte im Rahmen meines Besuchs anlässlich der Partnerschaft zwischen dem

 

Stadtteil Brooklyn in New York und der Wiener Leopoldstadt - traditionell ein Wiener Bezirk mit einem hohen Anteil an jüdischer Bevölkerung. Einladungen wie diese sind auch ein Weg sich aktiv mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und gleichzeitig

Vizebürgermeisterin Mag.a Renate Brauner bei der Unterzeichnung der Bezirkspartnerschaft Brooklyn-Leopoldstadt in New York.

FOTO: Weinkirn

die Chance jungen jüdischen Freundinnen und Freunden, deren Eltern Barbarisches erleben mussten, zu zeigen, dass Wien heute eine moderne, weltoffene Stadt ist.


CCA: Die Wiener Schule in Südafrika, das Masibambane College in Johannesburg, feierte heuer sein 10-Jahre- Jubiläum. Sie sind Präsidentin vom Verein der Freunde des Masibambane College der heuer 50.000 Euro an Hilfsgeldern an das College übergeben kann. Südafrika liegt nicht gerade vor unserer Haustüre. Warum sollen wir, aus Ihrer persönlichen Sicht, uns auch für die Probleme ferner Kulturen interessieren?


Vizebürgermeisterin Brauner: Weil wir stets auch Gesamtverantwortung tragen. Der viel zitierte Tellerrand rückt immer näher, je rascher neue Technologien unseren Aktionsradius vergrößern. Wir reisen heute in wenigen Stunden quer über die Kontinente. Und eines muss uns dabei klar sein: auch die Probleme jenseits unserer Landesgrenzen, wie etwa in Südafrika, sind nicht zuletzt unsere Herausforderungen - Stichwort Bildung, Armut, Umwelt- und Klimaschutz, aber auch Migration und Flüchtlingswesen. Wir sollen uns daher nicht nur, wir müssen uns mit den Themen auseinander setzen, weil wir als reiches, politisch aufgeklärtes und technologisch hoch entwickeltes Land die Verpflichtung dazu haben.


CCA: Bekanntlich waren ein Beethoven, Brahms oder Mahler an der Wiener Börse nie genannt. Warum setzen Sie sich als Wiener Finanzstadträtin und Vizebürgermeisterin für interkulturellen Austausch ein?

 

 

 

 Vizebürgermeisterin Brauner: Kultur ist in ihrer Qualität Teil der Identität einer Gesellschaft und zugleich Gradmesser für den Stand einer Zivilisation. Gleichzeitig ist Kultur auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Wobei ich hier mit Kultur das gesamte kreative Potenzial einer Gesellschaft meine. Denn „kreativen Milieus“ ziehen wiederum jene Unternehmen an, die überdurchschnittlich wachstums- und beschäftigungsintensiv sind. Wien hat hier optimale Voraussetzungen. Die Stadt bietet eine faszinierende und weltweit einzigartige Mischung aus Tradition und Innovation. „Das Neue“ hat „das Alte“ nicht verdrängt, sondern eine junge Kreativszene ergänzt unsere traditionellen Stärken. Interkultureller Austausch ist also auch für den Finanz- und Wirtschaftsstandort ein wichtiger Wettbewerbsfaktor.

 

CCA: Um das Vertrauen der Bürger in Europa zu stärken, schlägt die Europäische Kommission 2008 als "Europäisches Jahr des interkulturellen Dialogs" vor. Finden Sie, dass die Kultur jene Aufgabe erledigen kann, die der „großen“ Politik scheinbar nicht gelingt? Wie sehen Sie persönlich Wien als lokale Ebene in diesem Spannungsfeld zwischen „hoher Politik“ und „BürgerIn“? 

Vizebürgermeisterin Brauner: Kultur ist wesentlicher  
Bestandteil der, wie sie es nennen, "großen" Politik!

 FOTO: PID/Rigaud

 Und der interkulturelle Dialog ist gerade dann von

besonderer Bedeutung, wenn sich wieder Tendenzen zeigen, Angehörigen bestimmter Gruppen generalisierend Probleme zuzuordnen, diffuse Ängste geschürt werden und von politischen Rattenfängern einfache Antworten auf komplexe Fragestellungen angeboten werden. Gerade dann ist die unmittelbare Kommunikation mit dem scheinbar Fremden und das Aufeinanderzugehen unglaublich wichtig. Wien, als Großstadt mit all ihren Facetten, auch mit ihrer Tradition als Stadt der Vielfalt, als Drehscheibe zwischen Ost und West, als UN-Hauptquartier und nicht zuletzt als eine Stadt, die sich der Toleranz und Weltoffenheit verpflichtet fühlt, bietet die ideale Grundlage für Verständigung und Verständnis.

 

Interviewer: (ws)

Weiterführende Informationen:
Vizebürgermeisterin und Landeshauptmann-Stellvertreterin - Mag. Renate Brauner

Masibambane College

 





 

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