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Kultur.Diplomatie




23.05.2007  Collegium Hungaricum: Interview mit Dr. Kornél Zipernovszky



 

Dr. Kornél Zipernovszky ist stellvertretender Direktor des Collegium Hungaricum. Dort ist er unter anderem für den öffentlichen Betrieb mitverantwortlich. Mit besonderem Stolz erfüllt ihn das von ihm initiierte und organisierte ungarische Filmfestival "Filme aus jUngarn" (Start am 30. Mai 2007 - siehe separate Preview in der Rubrik Auslandskultur).

 

cca:
Bitte skizzieren Sie für unsere Leser Ihren Lebenslauf mit seinen wichtigsten Stationen auf dem Weg zum stellvertretenden Direktor des Collegium Hungaricum.

 

Kornél Zipernovszky:
Eigentlich komme ich aus dem Journalismus. Bevor ich nach Wien gekommen bin, war ich bei einer Tageszeitung in Budapest. Dort habe ich für das Kulturressort und die Außenpolitik geschrieben. Zuvor war ich beim Rundfunk - sowohl beim kommerziellen als auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und noch früher war ich als freischaffender Journalist tätig. Ich habe auch eine Musikzeitschrift in Ungarn vor 10 Jahren mitbegründet. Seitdem schreibe ich für jede Ausgabe und war, bis ich nach Wien gekommen bin, dort Jazzressortleiter. Ich habe auch viel im Kulturbereich organisiert. Ausstellungen habe ich zum Beispiel schon an der Uni als Mitglied des Studentenverbands organisiert.
 
cca:
Welche Aufgaben üben Sie als stellvertretender Direktor des Collegium Hungaricum aus?
 
Kornél Zipernovszky:
Als stellvertretender Direktor bin ich für Kultur bzw. die Angelegenheiten außerhalb der Wissenschaft zuständig.
 

Das bedeutet, dass ich eigentlich für den ganzen öffentlichen Betrieb des Hauses - zumindest teilweise - verantwortlich bin. Im Wesentlichen mache ich die Film- und Musikprogramme. Ich stelle diese zusammen und wickle sie innerhalb meiner eigenen Kapazitäten ab. Natürlich immer in Besprechung mit anderen Kollegen. Wir sind im Collegium Hungaricum ein gutes Team. Wir sind effizient und arbeiten gerne zusammen. Unser Institut hat vielleicht auch das breiteste Profil unter den Auslandskulturinstituten in Wien. Das kann ich ganz offen und ohne Gesten falscher Bescheidenheit sagen. Auch die Qualität unserer Programme entspricht der besten Wiener Tradition von Kultur, von Geschmack, von Tradition und Modernismus.

 

cca:
Persönlich stehen Sie in engem Kontakt mit verschiedenen Wiener Kulturinstituten, wie zum Beispiel dem Porgy & Bess oder der Kunstinitiative Q202. Spiegelt sich darin auch die breite Ausrichtung des Collegium Hungaricum wider?

 

Kornél Zipernovszky:
Die ganze Palette des Kulturinstituts war schon schön breit. Das Abschlusskonzert der Saison 2002-2003 bevor ich gekommen bin, war ein Jazzkonzert. Da brauchte ich keine Türen zu öffnen - vielleicht weiter zu öffnen und das Programm zusätzlich anzupassen. Worldmusic und Ethnomusik waren und sind wichtige Aufgaben, weil hier der Bedarf und das Interesse an ungarischen MusikerInnen interessanterweise am größten waren. Daher versuchten wir in

 

verschiedensten Arten von Kooperationsformen, die ungarischen Akts nicht nur in ihrer Zusammenarbeit mit Institutionen, die sowieso in diesem Feld in Wien tätig sind, zu fördern, sondern vielmehr auch die internationale künstlerische Zusammenarbeit. Im Konkreten heißt das immer, dass wir einen Teil der Finanzierung als unseren Beitrag bereitstellen und dann gemeinsam mit Partnern etwas veranstalten. Wir haben nicht nur mit dem Ost-Klub, sondern auch mit der Sargfabrik und dem Porgy & Bess eine gute Zusammenarbeit. Im Unterschied dazu haben wir im Bereich der klassischen Musik weniger zu tun. Schon seit der Monarchie gibt es eine Zweibahnstraße zwischen Österreich und Ungarn mit vielen Kooperationen und kulturellem Austausch. Natürlich haben wir aber auch hier schöne Aufgaben. Eine solche ist der 50. Gründungstag der Philharmonia Hungarica. Als 1956 viele Ungarn aus ihrer Heimat geflüchtet sind, ist aufgefallen, dass viele Musiker unter den Flüchtlingen sind. Diese wurden dann zusammengeholt, vereinigt und die Philharmonia Hungarica gegründet. Die Philharmonia Hungarica ist also ein bedeutendes Stück österreichisch-ungarischer Kulturgeschichte. Und am 28. Mai, genau an dem Tag, an dem das Debütkonzert der Philharmonia Hungarica stattgefunden hat, veranstalten wir ein Gedenkkonzert und weihen eine Gedenktafel ein. Die Philharmonia Hungarica ist ein gutes Beispiel, dass man Kontakte oder die gemeinsame Geschichte auch durch klassische Musik pflegen kann.

 

 

 

cca:
Das Collegium Hungaricum fokussiert also tendenziell auf Bereiche, die in den kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und Ungarn unterrepräsentiert sind?

 

Kornél Zipernovszky:
Man muss sich über die Lage immer neu informieren und seine eigenen Aufgaben neu definieren. Wenn man den Falter durchblättert, sieht man, dass unser Kulturinstitut im Bereich der klassischen Musik in direkter Konkurrenz zum Musikverein, zum Konzerthaus, zur Staatsoper, usw. steht. Im Bereich der bildenden Kunst wäre das die Albertina, das Mumok, das Kunsthistorische Museum usw. Das ist eine Konkurrenz, demgegenüber unser Budget und unsere Möglichkeiten einfach lächerlich daherkommen. Doch wir haben Möglichkeiten, die ausgenützt werden können. Und genau das machen wir. Wenn wir zum Beispiel hören, dass sich die Künstlergruppe Q202 für einen Atelierrundgang entscheidet, und wir diese irgendwie schon kennen und auch eingeladen werden, dann werden wir dabei  sein. Wir waren jetzt schon das dritte Mal dabei und es war ein größerer Erfolg als ich erwartet habe. Wir haben Konzerte mit ungarischen Musikstipendiaten veranstaltet und ich habe schon erwartet, dass wir uns bezüglich unseres Programms nicht schämen müssen. Der Rundgang war als Open House konzipiert, wo die Leute vorbeikommen, eine Viertelstunde oder so bleiben, und dann weiterschauen. Um 17:45 Uhr jedenfalls hatten wir den großen Saal im Collegium Hungaricum fast voll, da die Leute extra wegen dieser Konzerte gekommen sind. Sie sind nicht weggegangen und haben in der Pause unsere Ausstellungen besichtigt. Ich habe ehrlich gesagt nicht mit so einem großen Erfolg bei diesem Rundgang gerechnet.

  

cca:
Das Filmfestival jUngarn fällt auch in diese Kategorie von Veranstaltungen, die unterrepräsentierte Kulturbereiche aus Ungarn in Österreich sichtbar machen möchte?

 

Kornél Zipernovszky:
Genau. Ein Kulturinstitut soll immer Lücken finden und versuchen diese zu überbrücken, diese zu stopfen. Filme aus jUngarn ist aus der Überzeugung geboren, dass es im filmischen Bereich zwischen ungarischen und österreichischen Institutionen und Künstlern sehr wenig Kontakte gibt. Tatsächlich wirkt hier die sprachliche Barriere tiefer als es nötig ist. Es sind zwar schon vorher ein paar Filme aus Ungarn im österreichischen Kinovertrieb gezeigt worden. Leider waren es nur wenig. Aber inzwischen hat sich etwas geändert. Die jungen ungarischen und österreichischen FilmemacherInnen definieren sich als neue Generation. Es ist nun wichtig, dass diese ungarische Generation eine internationale, globalisierte und für den allgemein europäischen Sinn verständlichere Sprache spricht als ihre Vorgängergeneration.
 
cca:
Sieht man sich die Nominierungen und Gewinner der Oscars für ausländische Produktionen an, fällt auf, dass ungarische Filme relativ oft vertreten waren. 1989 aber gibt es einen Bruch.
 

 

Kornél Zipernovszky:
Wir haben jetzt leider nicht die Zeit etwas wirklich Tiefgreifendes über die ungarische Filmgeschichte zu erörtern. Aber man kann doch feststellen, dass sich durch das gewaltige Tempo der Wende, die sozialen, kulturellen und intellektuellen Gegebenheiten der Gesellschaft schnell verändert haben.  Diese neue Freiheit, die allerdings auch den Wegfall von - wenn auch nur scheinhalber - Stabilität bedeutete, hat große Veränderungen in der Gesellschaft bewirkt. Die Filmemacher, aber auch die Literaten, konnten damit nicht Schritt halten. Sie konnten es nicht international verständlich artikulieren. Es fehlten die Meisterwerke, die den ungarischen Film vor der Wende charakterisiert haben. Tatsächlich brauchte Ungarn ungefähr ein Jahrzehnt, um einen neuen Ton – die neue Redensart – des ungarischen Films zu definieren. Und interessanterweise waren die Innovationsträger nicht die Leute, die schon während der 1990er Jahre Filme gemacht hatten, sondern junge FilmemacherInnen. Viele dieser FilmemacherInnen stammten aus einer Regisseursklasse der Akademie der Filme in Budapest - der sogenannten Simó-Klasse. Sándor Simó hat schon seit den 1960er Jahren Filme gemacht, ist aber als Regisseur nicht so bedeutend wie als Produzent und Professor. Der harte Kern dieser neuen Generation ist also aus der Simó-Klasse. Simó ist leider vor ein paar Jahren gestorben, doch noch Jahre nach seinem Tod haben seine Studenten fast alle ihre Filme ihm gewidmet. Auch der Debütpreis für die beste Regie bei der Budapester Filmschau ist nach Sándor Simó benannt. Und für jUngarn konnten wir den Simó-Preisträger 2007 „Happy New Life“ von Árpád Bogdán gewinnen.

 

 

cca:
Angenommen, Sie hätten ein größeres Budget. Welche Kulturbereiche würden sie verstärkt fördern?

 
Kornél Zipernovszky:
Ich möchte da gerne etwas vorausschicken. Ich brauche nicht mehr Geld. Kultur soll nicht generell staatlich finanziert werden. Meine Überzeugung ist, dass Kultur gefördert werden soll, aber nicht vollständig vom Staat subventioniert. Ich bin finanziell völlig zufrieden mit dem was wir haben. Wenn ich jemandem erzähle, dass in diesem Quartal unser Programmheft mehr als 28 Seiten umfasst, dann fragt wohl jeder zurecht, wozu brauchen wir noch mehr Geld. Ich würde aber gerne sehen, dass es Geld für bestimmte Zwecke, wie zum Beispiel Kulturkontakte oder Preisausschreibungen gäbe. Hier bin ich für mehr Geld. Wir haben im Collegium Hungaricum auch zehn Stipendien,

die in Ungarn vom Kultur- und Bildungsministerium öffentlich ausgeschrieben werden. Derzeit bekommen nur Wissenschaftler die Stipendien. Ich denke mir, es sollten auch Künstler einen Bruchteil davon bekommen, da Künstler in jungen Jahren - mit oder gerade vor einem Diplom - internationale Erfahrung brauchen, die sie aber zu Hause in Ungarn nicht sammeln können. In Wien ist so eine Perspektive schon zu bekommen. Auch Gelder für nicht gerade typische kulturelle oder hochkulturelle Projekte wären mir sehr lieb. Wie ich schon erwähnt habe, muss man ständig seine Position an zeitgemäße Bedürfnisse anpassen. Heute ist es nötig, dass man die Ideen von Nationalkultur revidiert und an zeitgemäße Umstände anpasst. Die alten Ideen von Hochkultur müssen revidiert werden. Vor ein paar Jahren hätte es den ungarischen Behörden vermutlich widerstrebt, dass wir einen Teil unseres Budgets für ungarische Gastauftritte im Ost-Klub ausgeben. Heute brauche ich gar nicht mehr zu erwähnen, warum das wichtig ist. Man muss nur hingehen und sieht mehrere hundert Leute an jedem ungarischen Abend. Wenn wir an der alten Idee von Nationalkultur festhalten würden, hätten wir auch nie einen serbischen Film mit ungarischer Koproduktion bei dem Filmfestival jUngarn gezeigt. Wir vertreten nicht die typische Idee von Nationalkultur mit der Einstellung: Ja, wir sind ein Kulturinstitut - am Montag spielt die Nationalsymphonie, am Dienstag kommt das Nationaltheater usw. Nein! Gottseidank sind mit der europäischen Integration die lange bestehenden Bedürfnisse von ungarischen Intellektuellen und Künstlern, sich am Westen zu orientieren, sich dort anzuschließen und sich offen zu internationalen Kontakten zu halten, wahr geworden.

 

cca:
Welche Veranstaltung im Programm des Collegium Hungaricum ist ihr persönlicher Höhepunkt im Jahr 2007?

 

Kornél Zipernovszky:
Da habe ich keine einzige Antwort, sondern mindestens gleich zwei. Das eine ist Filme aus jUngarn, mein Brainchild wenn ich so sagen darf. Es blüht jetzt wirklich zu einem Festival auf und mit dem neuen Partner Topkino haben wir sowohl eine fachliche als auch eine populäre Unterstützung gefunden, die diese Idee braucht. Das andere das Gedenkkonzert in Baden zum 50. Jahrestag der Philharmonia Hungarica. Das ist mir deswegen sehr wichtig, da ich einen persönlichen Bezug dazu habe und sogar persönliche Kontakte zu einigen der Mitglieder gehabt habe. Außerdem ist an dem Gedenkkonzert auch besonders, dass wir sowohl den ungarischen Botschafter Dr. István Horváth als auch Prof. Dr. Heinrich Kraus für den Ehrenschutz gewinnen konnten. Prof. Dr. Heinrich Kraus ist der ehemalige Direktor des Burgtheaters, des Josefstädter Theaters, der Düsseldorfer Oper und eben der Philharmonia Hungarica. Wir haben beim Gedenkkonzert also zwei symbolische Personen die sich vor 50 Jahren nicht die Hand geben hätten dürfen: der Leiter des Emigrantenorchesters und der Leiter der ungarischen Botschaft. Das waren zwei Welten. Meinem Artikel für die Immigrantenzeitung in Wien über dieses Phänomen habe ich mit dem Sprichwort beendet: Es wächst zusammen, was zusammen gehört.

 

cca:
Vielen Dank für das Gespräch.

 

Interviewer: (ruw)

 

Weiterführende Informationen:

Collegium Hungaricum

Ankündigung Filme aus jUngarn

Ankündigung des Gedenkkonzerts der Philharmonia Hungarica

Ost-Klub

Porgy & Bess

Sargfabrik

Q202





 

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